Geplantes Cannabis-Telemedizin Verbot: Schwarzmarkt profitiert

Am 18. Juni 2025 hat Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Cannabis-Telemedizin komplett verbieten würde. Nach nur einem Jahr Liberalisierung droht Deutschland damit einen massiven Rückschritt. Für tausende Patienten, die auf medizinisches Cannabis angewiesen sind, könnte das dramatische Folgen haben. Der Schwarzmarkt würde profitieren, während kranke Menschen ohne Alternativen dastehen.

Der Warken-Entwurf: Rückschritt ins Jahr 2023

Nina Warken plant mit ihrem Gesetzentwurf eine komplette Kehrtwende. Die wichtigsten Änderungen betreffen zwei Bereiche: Erstens dürften Ärzte Cannabis nur noch nach persönlichem Kontakt in der Praxis verschreiben. Videosprechstunden wären für Erstverordnungen komplett verboten. Zweitens würde der Versand von Cannabisblüten durch Online-Apotheken untersagt. Das bedeutet: Patienten müssten für jedes Rezept persönlich zum Arzt und dann zur Apotheke fahren.

Die Ministerin begründet diese drastischen Maßnahmen mit einem Anstieg der Cannabis-Importe um 170 Prozent im zweiten Halbjahr 2024. Sie behauptet, es sei „sehr einfach, online ein Rezept zu bekommen“. Dabei übersieht sie, dass der Anstieg vor allem legitimen medizinischen Bedarf widerspiegelt. Die von Krankenkassen erstatteten Verschreibungen stiegen nur um 9 Prozent – der Rest waren Privatrezepte von Patienten, die selbst zahlen.

Zeitplan und politische Hürden

DatumGeplanter SchrittStatus
18. Juni 2025Vorlage des GesetzentwurfsErfolgt
14. Juli 2025Versand an VerbändeErfolgt
1. August 2025Ende der StellungnahmefristAusstehend
Herbst 2025KabinettsbeschlussGeplant
Anfang 2026Mögliches InkrafttretenUnsicher

Die größte politische Hürde ist der Koalitionspartner SPD. Unter Gesundheitsminister Karl Lauterbach hatte die SPD die Cannabis-Liberalisierung 2024 durchgesetzt. Bisher hat sich die SPD nicht offiziell zum Warken-Entwurf geäußert. Ohne Zustimmung der SPD kann das Gesetz nicht verabschiedet werden.

Warum der Schwarzmarkt der große Gewinner wäre

Die geplanten Einschränkungen würden genau das Gegenteil von dem bewirken, was sie angeblich bezwecken sollen. Statt Missbrauch zu verhindern, würden sie den illegalen Handel stärken. Dafür gibt es mehrere Gründe, die ich dir im Detail erkläre.

Problem 1: Ärzte verschreiben ungern Cannabis

Auch im Jahr 2025 sind viele Ärzte nicht bereit, Cannabis zu verschreiben. Bei Schmerzen greifen sie lieber zu bewährten Mitteln wie NSAR (zum Beispiel Ibuprofen oder Diclofenac). Diese Medikamente schädigen aber nachweislich die Nieren, besonders bei Dauergebrauch. Oder sie verschreiben Opioide wie Morphin oder Oxycodon, die schnell abhängig machen können.

Die meisten Hausärzte haben wenig Erfahrung mit Cannabis-Verschreibung. Sie fürchten rechtliche Probleme oder Ärger mit der Krankenkasse. Für Patienten bedeutet das: Sie bekommen zwar gefährliche Schmerzmittel, aber kein Cannabis – obwohl Cannabis oft weniger Nebenwirkungen hat. Was bleibt diesen Menschen übrig? Der Gang zum Dealer.

Problem 2: Versorgungslücken auf dem Land

In ländlichen Regionen ist die Situation noch dramatischer. Dort findest du oft im Umkreis von 50 Kilometern keinen einzigen Schmerzarzt. Hausärzte haben monatelange Wartelisten. Wer soll diese Patienten versorgen? Die Telemedizin war für sie die einzige Chance auf eine legale Cannabis-Therapie.

RegionHausärzte pro 100.000 EinwohnerDurchschnittliche WartezeitNächster Schmerztherapeut
Großstadt752-4 Wochen5-10 km
Kleinstadt604-8 Wochen20-30 km
Ländlicher Raum458-16 Wochen50-80 km

Ohne Cannabis-Telemedizin müssten diese Patienten weite Wege auf sich nehmen – oft trotz chronischer Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen. Viele werden diese Strapazen nicht auf sich nehmen können. Der Schwarzmarkt ist dann die einzige Alternative.

Problem 3: Keine legalen Alternativen für viele Patienten

Nicht jeder kann seine drei erlaubten Cannabis-Pflanzen selbst anbauen. Du brauchst dafür Platz, Zeit und Wissen. Menschen in Mietwohnungen, ältere Patienten oder körperlich Eingeschränkte haben diese Möglichkeit nicht. Sie sind auf Apotheken-Cannabis angewiesen.

Wenn der Arzt vor Ort nicht verschreibt und Online-Rezepte verboten sind, stehen diese Menschen vor einer unmöglichen Wahl: Entweder sie leiden weiter unter ihren Beschwerden oder sie wenden sich an illegale Quellen. Der Dealer um die Ecke wird sich über diese neue Kundschaft freuen.

Problem 4: Cannabis Social Clubs – Die Scheinlösung

Auch die Cannabis Social Clubs bieten keine echte Alternative. Von diesen Vereinen gibt es in Deutschland viel zu wenige. Die Gründung ist kompliziert, die Auflagen streng. In vielen Regionen existiert kein einziger Club im Umkreis von 100 Kilometern.

BundeslandRegistrierte Social ClubsClubs pro 1 Million EinwohnerDurchschnittliche Entfernung
Berlin82,215 km
Bayern120,975 km
Brandenburg20,8120 km
Sachsen30,795 km

Die wenigen existierenden Clubs haben oft lange Wartelisten. Neue Mitglieder werden nur selten aufgenommen. Für kranke Menschen, die schnell Hilfe brauchen, ist das keine Option. Die Social Clubs wurden für Genuss-Konsumenten konzipiert, nicht für Patienten mit akuten Beschwerden.

Die wahren Motive hinter dem Gesetzentwurf

David Henn von Cannamedical bringt es auf den Punkt: Es geht um eine „Umverteilung von Gewinnen“ zugunsten traditioneller Apotheken. Die Online-Anbieter haben in kurzer Zeit große Marktanteile gewonnen. Klassische Apotheken fühlen sich bedroht. Der Gesetzentwurf könnte ihnen ihr Monopol zurückgeben.

Ärzteschaft unterstützt die Einschränkungen

Die Bundesärztekammer steht hinter Warkens Plänen. Präsident Klaus Reinhardt bezeichnet die Herausnahme von Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz als „Fehler“. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Apothekerverband ABDA unterstützen die geplanten Verbote.

Thomas Preis vom ABDA argumentiert: „Arzneimittel sind keine gewöhnlichen Konsumgüter“. Dabei vergisst er, dass andere Medikamente problemlos online verschrieben und versendet werden dürfen. Warum sollte bei Cannabis eine Ausnahme gelten? Die Antwort liegt auf der Hand: Hier geht es nicht um Patientensicherheit, sondern um wirtschaftliche Interessen.

Opposition warnt vor den Folgen

Die Kritik aus der Opposition ist deutlich. Ates Gürpinar von den Linken nennt den Entwurf eine „Blaupause für den Schwarzmarkt“. Linda Heitmann von den Grünen spricht von Stigmatisierung. Beide haben recht: Der Entwurf würde genau die Probleme schaffen, die er angeblich lösen will.

Will Muecke vom Risikokapitalgeber Artemis warnt, der Entwurf würde „einen unaufhaltsamen illegalen Markt schaffen“. Die Cannabis-Industrie hat Millionen in legale Strukturen investiert. Diese Investitionen wären verloren, wenn Patienten wieder zum Dealer gehen müssen.

CDU/CSU: Die absurde Doppelmoral bei Drogen

Die Haltung der Union zu Cannabis offenbart eine bemerkenswerte Doppelmoral. Während Cannabis verteufelt wird, feiert man in Bayern das Oktoberfest. Diese Heuchelei wird besonders deutlich, wenn man die Zahlen betrachtet.

Alkohol tötet – Cannabis nicht

Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums sterben in Deutschland jährlich etwa 74.000 Menschen an den Folgen von Alkoholkonsum [1]. Das sind über 200 Todesfälle pro Tag. Die Dunkelziffer liegt vermutlich noch höher, da viele alkoholbedingte Erkrankungen nicht als solche erfasst werden.

SubstanzJährliche Todesfälle in DeutschlandDirekte Todesfälle weltweit (dokumentiert)Abhängigkeitspotential
Alkohol74.000 [1]3 Millionen [2]Hoch
Tabak127.000 [3]8 Millionen [2]Sehr hoch
Cannabis00Gering bis mittel

Cannabis hat bis heute weltweit kein einziges dokumentiertes direktes Todesopfer gefordert. Die tödliche Dosis von THC ist so hoch, dass sie praktisch nicht erreichbar ist. Man müsste innerhalb kurzer Zeit mehrere Kilogramm Cannabis konsumieren – was physisch unmöglich ist.

Bayern: Bier ja, Cannabis nein

Besonders absurd ist die Haltung in Bayern. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wettert regelmäßig gegen Cannabis, während gleichzeitig der Bierkonsum zelebriert wird. Auf dem Oktoberfest 2024 wurden 7,7 Millionen Liter Bier ausgeschenkt [4]. Die gesellschaftlichen Kosten des Alkoholkonsums in Bayern belaufen sich auf geschätzte 5,6 Milliarden Euro jährlich [5].

Die CSU argumentiert mit dem „Schutz der Jugend“. Doch Studien zeigen: In Bundesländern mit liberaler Cannabis-Politik konsumieren nicht mehr Jugendliche als in restriktiven Regionen [6]. Der Jugendschutz funktioniert über Aufklärung und Prävention, nicht über Verbote.

Vergleich mit anderen Ländern: Deutschland als digitaler Außenseiter

Während andere Länder ihre digitalen Gesundheitsdienste ausbauen, plant Deutschland den Rückschritt. In Kanada, den USA und vielen europäischen Ländern ist Telemedizin Standard – auch für Cannabis. Deutschland würde mit Warkens Plänen eine Sonderrolle einnehmen.

LandTelemedizin erlaubtOnline-Versand möglichSchwarzmarktanteil
KanadaJaJa25%
NiederlandeTeilweiseJa30%
Deutschland (aktuell)JaJa70%
Deutschland (geplant)NeinNein85-90% (Schätzung)

Die Zahlen sprechen für sich: In Ländern mit liberalen Regeln ist der Schwarzmarktanteil deutlich niedriger. Verbote treiben Patienten in die Illegalität.

Die vergessenen Patienten: Wer besonders leidet

Der Gesetzentwurf trifft nicht alle gleich. Besonders hart würde es bestimmte Patientengruppen treffen. Diese Menschen haben oft keine Lobby und werden in der politischen Diskussion übersehen.

Chronische Schmerzpatienten

76,4 Prozent aller Cannabis-Verschreibungen erfolgen wegen chronischer Schmerzen. Diese Patienten haben oft schon eine Odyssee hinter sich. Sie haben verschiedene Medikamente ausprobiert, unter Nebenwirkungen gelitten, verzweifelt nach Hilfe gesucht. Cannabis war für viele die Rettung.

Jetzt sollen sie wieder von vorne anfangen? Neue Ärzte suchen, die bereit sind zu verschreiben? Weite Wege zur Apotheke auf sich nehmen? Für Menschen mit chronischen Schmerzen ist jede Bewegung eine Qual. Die Cannabis-Telemedizin war für sie ein Segen.

Menschen mit psychischen Erkrankungen

Auch Patienten mit Depressionen, Angststörungen oder PTBS profitieren von Cannabis. Für sie ist der Gang zum Arzt oft eine große Hürde. Soziale Ängste, Schamgefühle oder depressive Episoden machen Arztbesuche zur Tortur. Die Möglichkeit einer Online-Konsultation senkte diese Hürde erheblich.

Mit dem Verbot der Telemedizin würden diese Patienten wieder ausgeschlossen. Viele werden auf eine Behandlung verzichten – oder sich illegal versorgen.

Berufstätige und Alleinerziehende

Wer voll berufstätig ist oder Kinder betreut, hat wenig Zeit für Arztbesuche. Die Praxen haben meist nur zu Bürozeiten geöffnet. Für ein Cannabis-Rezept extra freinehmen? Für viele unmöglich. Die Cannabis-Verschreibung per Videosprechstunde war die Lösung.

Rechtliche Bedenken: Ist das Gesetz überhaupt verfassungskonform?

Rechtsexperten äußern Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs. Die geplanten Einschränkungen könnten unverhältnismäßig in die Berufsfreiheit der Ärzte eingreifen. Auch die Rechte chronisch kranker Patienten wären betroffen.

Verstoß gegen die Berufsfreiheit

Ärzte haben das Recht, ihre Behandlungsmethoden frei zu wählen. Wenn Telemedizin bei anderen Medikamenten erlaubt ist, warum dann nicht bei Cannabis? Diese Ungleichbehandlung ist rechtlich fragwürdig. Ein Verbot nur für Cannabis lässt sich sachlich kaum begründen.

Diskriminierung von Patienten

Menschen mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten haben ein Recht auf gleichberechtigten Zugang zur Gesundheitsversorgung. Ein Verbot der Cannabis-Telemedizin würde sie diskriminieren. Sie müssten größere Hürden überwinden als andere Patienten. Das verstößt gegen das Grundgesetz und die UN-Behindertenrechtskonvention.

Was Patienten jetzt tun können

Wenn du auf medizinisches Cannabis angewiesen bist, solltest du jetzt aktiv werden. Die Stellungnahmefrist läuft noch bis zum 1. August 2025. Nutze diese Zeit, um deine Stimme zu erheben.

Möglichkeiten der Einflussnahme

Du kannst dich an Patientenorganisationen wenden. Die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin sammelt Stellungnahmen und vertritt Patienteninteressen. Auch die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin setzt sich für eine ausgewogene Regelung ein.

Schreibe deinem Bundestagsabgeordneten. Erkläre deine persönliche Situation. Politiker müssen verstehen, was das Verbot für dich bedeuten würde. Persönliche Geschichten haben oft mehr Gewicht als abstrakte Argumente.

Vorsorge treffen

Falls das Gesetz kommt, solltest du vorbereitet sein. Suche schon jetzt nach einem Arzt in deiner Nähe, der Cannabis verschreibt. Baue eine Beziehung auf, bevor die Telemedizin verboten wird. So hast du später einen Ansprechpartner.

Informiere dich über den Eigenanbau. Drei Pflanzen sind erlaubt. Mit etwas Übung kannst du deinen Bedarf selbst decken. Der Eigenanbau macht dich unabhängig von Ärzten und Apotheken.

Fazit: Ein Geschenk für den Schwarzmarkt

Statt Missbrauch zu verhindern, würde er den Schwarzmarkt stärken. Statt Patienten zu schützen, würde er sie in die Illegalität treiben. Die Dealer werden sich freuen – kranke Menschen leiden.

Die CDU/CSU fährt eine absurde Linie: Alkohol, der jährlich 74.000 Deutsche tötet, wird in Bayern gefeiert. Cannabis, das noch kein einziges Todesopfer gefordert hat, wird verteufelt. Diese Doppelmoral ist nicht nur unlogisch, sondern gefährlich. Sie treibt Menschen in die Arme von Dealern und verhindert eine vernünftige Drogenpolitik.

Besonders pikant: Während Bayern gegen Cannabis kämpft, legalisiert das Nachbarland Tschechien. Ab 2026 werden grenzüberschreitende Schwarzmarktstrukturen boomen. Die deutschen Verbote werden den tschechischen Schwarzmarkt füttern. Markus Söder sollte sich fragen, ob diese Politik wirklich im Interesse Bayerns ist.

Deutschland steht vor einer wichtigen Entscheidung. Wollen wir zurück in die Zeit der Prohibition? Oder wollen wir einen modernen, patientenfreundlichen Umgang mit Cannabis? Die Cannabis-Telemedizin hat vielen Menschen geholfen. Sie abzuschaffen wäre ein Fehler, den vor allem die Schwächsten ausbaden müssten.

Die kommenden Monate werden zeigen, ob sich Vernunft oder Ideologie durchsetzt. Für tausende Patienten hängt davon ab, ob sie weiter legal versorgt werden – oder ob sie wieder zum Dealer gehen müssen. Nina Warken und die CDU/CSU sollten sich fragen, ob sie wirklich auf der richtigen Seite stehen – oder ob sie nur die Interessen von Apotheken-Lobbys und Alkohol-Industrie vertreten.

Quellen:

[1] Bundesministerium für Gesundheit (2024): Jahrbuch Sucht 2024
[2] World Health Organization (2024): Global status report on alcohol and health
[3] Deutsches Krebsforschungszentrum (2024): Tabakatlas Deutschland 2024
[4] Referat für Arbeit und Wirtschaft München (2024): Oktoberfest-Bilanz 2024
[5] Institut für Therapieforschung München (2023): Volkswirtschaftliche Kosten des Alkoholkonsums in Bayern
[6] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2024): Cannabiskonsum Jugendlicher im Bundesländervergleich

Dennis
Dennis

Dennis ist Redakteur bei Cannabis-Anbau.de und schreibt über Anbautechniken, Equipment, Sorten und Problemlösungen. Alle Inhalte sind rein informativ.

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